Unternehmensgeschichte der Brauerei "Im dicken Thomas" / "Em dekke Tommes"
 
 
 

Die Ursprünge des dekke Tommes
In den Brauereiverzeichnissen taucht das Brauhaus „Em dekke Tommes“ („Im dicken Thomas“) in der Glockengasse 39 erstmals im Jahr 1838 auf, es bestand aber schon wesentlich länger. Der Name „Em dekke Tommes“ kann erstmals im Zunftbuch aus dem Jahr 1798 nachgewiesen werden, bereits im Jahr 1476 ist in Biersteuerbüchern vom Brauhaus „Andres enn der Klockengaß“ die Rede, welches vermutlich an gleicher Stelle stand. Die Brauerei selbst warb in Anzeigen mit dem Gründungsjahr 1662, wobei unklar ist, was hinter dieser Zahl steckt.
Jedenfalls firmierte das Brauhaus spätestens ab dem Jahr 1838 als „Brauhaus Em dekke Tommes, Heinrich Hummelsheim“. Die Familie Hummelsheim war zu dieser Zeit stark vertreten im Kölner Brauwesen. Nicht weniger als 3 weitere Familienmitglieder betrieben zeitgleich weitere Brauhäuser in der Lintgasse 10, der Rheingasse 27 sowie in der Streitzeuggasse 37. Allerdings verschwand der Name Hummelsheim genauso schnell wieder aus dem Kölner Brauwesen, spätestens im Jahr 1871 war er aus allen diesen 4 Brauhäuern wieder verschwunden.
Im Jahr 1855 starb Heinrich Hummelsheim und die Brauerei wurde unter der Firmierung „Brauerei Em dekke Tommes, Anna Maria Hummelsheim Wwe“ von seiner Witwe weitergeführt. Nach einem weiteren Jahr übernahm dann Gerhard Josef Hummelsheim, vermutlich ein Bruder von Heinrich Hummelsheim die Brauerei. Aber auch er starb nach nur einem Jahr im Jahr 1856 und auch hier führte seine Witwe die Brauerei weiter („Brauerei Em dekke Tommes, Gerh. J. Hummelsheim Wwe“). Im Mai 1858 wurde die Brauerei versteigert.
[10, 21.03.1858] Verkauf der Zum dicken Thomas benannten Bierbrauerei zu Köln.
Am Mittwoch den 12. Mai dieses Jahres, Nachmittags 3 Uhr, wird der Unterzeichnete auf seiner Amtsstube hierselbst, Breitstraße Nro. 108—, das dahier auf der Ecke der Glockengasse und Hämergasse unter Nro. 39 gelegene, Zum dicken Thomas genannte Wohn= und Brauhaus nebst Dependenzien einer öffentlichen Versteigerung aussetzen. Die fraglichen Realitäten bestehen, außer dem 33 Fuß breiten und etwa 70 Fuß neun Zoll tief in massiven Umfassungs=Mauern erbauten Hauptgebäude, in Hinterhaus, einer Kegelbahn, Hofraum, Garten und den zum Betrieb der Brauerei dienenden Utensilien, umfassen einen Flächen=Inhalt von 34 Ruthen 88 Fuß und sind taxirt zur Summe von 17652 Thlr. Das Ganze, in welchem seit langen Jahren eine Schenkwirthschaft mit dem besten Erfolge betrieben wurde, eignet sich vermöge der angegebenen Räumlichkeiten, so wie der verkehrreichen Lage in der Nähe der Post und der Militär=Casernen besonders zur Führung einer Wirthschaft sowohl als auch zu jeder anderen großeren Geschäfts=Anlage. Köln, den 19. März 1858. Krahé, Notar.
 
Ersteigert wurde die Brauerei von Krakamp. Dieser brachte ein wenig Kontinuität in das Brauhaus und führte es immerhin 6 Jahre.
     
[10, 21.03.1858]
Anzeige der Versteigerung des "Zum dicken Thomas" im Jahr 1858 (vollständige Anzeige durch klick auf die Grafik)
                                                                                                                               

Die Ära Fuchs
Im Jahr 1863 übernahm Heinrich Josef Fuchs die Brauerei. Er brachte jetzt wirklich Kontinuität mit ein und führte die Brauerei die nächsten 25 Jahre.
Im Jahr 1888 starb Heinrich Josef Fuchs und sein Sohn Jean Fuchs führte die Brauerei unter der Firmierung "Heinrich Josef Fuchs Sohn" weiter. Kurz danach wurde die Brauerei auf der internationalen Gartenbauausstellung in der Kölner Flora für ihr Bier mit einer Silbernen Medaille ausgezeichnet, laut Darstellung der Brauerei (siehe W008) der höchste Preis für das beste Bier in Deutschland. Stimmen kann das nicht ganz, da auf der gleichen Ausstellung z.B. das Bier aus der Brauerei von Heinrich Boden mit einer Goldenen Medaille ausgezeichnet wurde.
[13, 28.07.1889] „…Die Kölner Ausstellungen. XIV. Köln, den 28. Juli 1889. Wenn wir uns bei der bisherigen Beschreibung der Internationalen Ausstellung für Hausbedarf und Nahrungsmittel ... In der Uebersicht über die ausgestellten Biere und Liqueure können wir noch kürzer verfahren, da die meisten Sorten ziemlich bekannt sind. Das helle Export=Bier nach Pilsener Brauart, sowie das dunkele Salvator=Bier der Kalker Brauerei=Actien=Gesellschaft, vorm. Jos. Bardenheuer, steht im ganzen Rheinlande und darüber hinaus in gutem Rufe. Zu den besten Kölner Lagerbier=Brauereien zählt schon von Alters her diejenige von Heinr. Boden an der Weyerstraße, im Volksmunde bekannt unter dem Namen„Zu den vier Heymonskindern". Die Brauerei „Zum decke Tommes" von Heinr. Jos. Fuchs (Köln) befaßt sich in neuerer Zeit mit Versuchen, das Kölner Lagerbier exportfähig zu machen, und hat darin bedeutende Erfolge erzielt. Das Bier hat zwar von dem eigenartigen Geschmack des echten „Kölsch“ etwas eingebüßt, mundet aber sowohl Einheimischen wie Fremden ganz vortrefflich…“
 
Interessant ist, das der Autor des Artikels anmerkt, dass Heinrich Josef Fuchs anscheinend versuchte, dass Bier haltbarer zu machen, eine Voraussetzung für die Lieferung des Bieres über Köln hinaus. Dabei büßte das Bier etwas von dem "eigenartigen Geschmack des echten Kölsch" ein, schien aber der Kundschaft zu schmecken. Im Folgejahr war das Bier sogar auf der Weltausstellung in Paris präsent und erhielt dort eine Goldene Medaille.
Jean Fuchs versuchte diese Auszeichnung zu nutzen, er warb nicht nur damit für seine Restauration sondern suchte auch weitere Absatzstätten für das "preisgekrönte" Bier. Die Kampagne war aber nicht sehr erfolgreich, bereits 2 Jahre nach den Erfolgen auf der Weltausstellung, im Jahr 1891, schloss Jean Fuchs die Brauerei.
 
(PK001) [7]
Postkarte?, noch unter der Führung von Heinrich Josef Fuchs, vermutlich um 1885. In der Mitte das Brauhaus in der Glockengasse, drumherum die Lagerkeller in Lindenthal.
 
(W004) [12, 25.08.1878]
Anzeige des "Zum dicken Thomas" aus dem Jahr 1878.
Feinstes Lagerbier per Glas für 10 Reichspfennig
 
                                                                              
(W005) [12, 17.06.1883]
Bei Wilhelm Hermann gibt es feines Lagerbier aus der Bierbrauerei "zum Decken Thommes". Anzeige aus dem Jahr 1883, die Bezeichnung der Brauerei ist schon teilweise ins Kölsch überführt 
(W006) [12, 24.05.1885]
Anzeige des "Zum dicken Thommes" aus dem Jahr 1885
(W007) [12, 26.06.1887)
Anzeige des "Zum decken Tommes" aus dem Jahr 1887. Mittlerweile ist der Name schon komplett ins Kölsche überführt
(014) [12, 12.08.1888]
Anzeige der Brauerei noch unter Heinrich Josef Fuchs aus dem Jahr 1888. Angekündigt wird, dass auf der Internationalen Gartenausstellung in der Flora auch Bier aus der Brauerei zum dicken Thomas zum Ausschank kommt
(W008) [12, 02.12.1888]
Anzeige von Jean Fuchs, der nach dem Tod seines Vater im Jahr 1888 die Brauerei übernahm und in "Heinrich Josef Fuchs Sohn" umfirmierte

 

(W009) {12, 16.12.1888]
Anzeige von Jean Fuchs aus dem Jahr 1888, in der er nach Absatzstätten für sein preisgekröntes Flaschenbiers sucht 
(W010) {12, 16.12.1888]
Anzeige zur Eröffnung der Wirtschaft von Wilhelm Rohde aus dem Jahr 1888. Im Angebot: ausgezeichnetes Lagerbier aus der Brauerei zum dicken Tommes 
(W011) [12, 20.01.1889]
Anzeige der Brauerei aus dem Jahr 1899 zum Anstich des Lager-Biers

 

(W025) [12, 03.03.1889]
Kein Entrée während der Karnevalstage. Anzeige aus dem Jahr 1889
(W012) [17.03.1889]
Anzeige der Brauerei aus dem Jahr 1889 zum Ausschank ihres Salvator-Bieres

 

(W015) [12, 28.07.1889]
Im Juli 1889 noch ohne Auszeichungen
 
(W015) [12, 28.07.1889]
Detailausschnitt aus der links stehenden Anzeige. Die Grafik entspricht der von PK001 weiter oben, allerdings jetzt mit der Firmierung "Heinr. Jos. Fuchs Sohn"
(W016) [12, 22.09.1889]
Im September 1889 schon vielfach mit den höchsten Auszeichnungen und vertreten auf der Weltausstellung in Paris
 
(W026) [14]
Werbung der Bierbrauerei "Im dicken Thomas" aus dem Jahr 1889
(W027) [14]
Die oben in den Anzeigen nur als klein dargestellte Grafik wurde auch als eigenständige Anzeige verwendet. Anzeige aus dem Jahr 1889
(W017) [12, 24.11.1889]
Im November 1889 schon mit einer goldenen Medaille von der Pariser Weltausstellung

 

             
   
(W018) [12, 08.02.1891]
Anzeige zum Karneval im Jahr 1891
(W019) [12, 01.03.1891]
Anzeige der Brauerei aus dem Jahr 1891
                                                                                                         

Die Restauration „Em dekke Tommes“
Ab dem Jahr 1891 wurde der dekke Tommes nur noch als Restauration betrieben [6]. Vermutlich gab es aber finanzielle Schwierigkeiten. Im Jahr 1892 taucht Jean Fuchs noch als Eigentümer auf, im Jahr 1893 dann aber "Frau Fuchs". Da hier nicht von Witwe die Rede ist, hatte Jean Fuchs das Eigentum anscheinend zu Lebzeiten an seine Frau übertragen. Die Hintergründe sind nicht ganz klar, aber ein Eintrag im Reichsanzeiger aus dem Jahr 1897 über die Beendigung eines Konkursverfahrens lässt vermuten, dass er es aus der Konkursmasse heraushalten wollte [10]: "...Das Konkursverfahren über das Vermögen des Jean Fuchs, Bierbrauer und Wirth, zu Köln wohnhaft, wird nach erfolgter Abhaltung des Schlußtermins hierdurch aufgehoben. Köln, den 15. November 1897...".
Im Jahr 1894 übernahm der Hotelier und Gastwirt Edmund Schlösser das Haus, riss es ab und baute es im damaligen Stil als Hotel-Gaststätte wieder auf. Er führte das Haus bis in das Jahr 1903. In diesem Jahr erwarben dann die Gebrüder Balchem den dekke Tommes. Die Gebrüder Balchem waren keine Unbekannten, sie betrieben zeitgleich die Karthäuser Brauerei in der Severinstraße . Vermutlich kam damit auch ihr Bier in den Ausschank. Im Jahr 1922 fusionierte die Karthäuser-Brauerei mit der Hubertus-Brauerei von Jacob Immendorf aus Zündorf und der Brauerei von Carl Schmitz aus Müngersdorf zur Kölner Union-Brauerei . Auf dem Foto F004 ist das Restaurant auch mit entsprechender Beflaggung zu sehen. Ab Mitte der 1920er Jahre wurde das Restaurant auch durch einen der beiden Balchem Brüder, Dr. Hans Balchem, betrieben.
Wirklich bekannt wurde und ist der dekke Tommes aber durch die Künstlergruppe „Kölner Progressive“ [2], deren Stammlokal der dekke Tommes war. Diese Gruppe um die Maler Franz Wilhelm Seiwert und Heinrich Hoerle sowie dem Fotografen August Sander erlangte, u.a. durch den an den Karnevalstagen durchgeführten „Lumpenball“, viel Öffentlichkeit. Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten war im Jahr 1933 damit aber Schluss.
Bei Bombenangriffen im zweiten Weltkrieg wurde der dekke Tommes völlig zerstört und nach dem Krieg nicht wiederaufgebaut.
(W020) [12, 29.01.1893]
Anzeige des Em decke Tommes aus dem Jahr 1893. Besitzer war Edmund Schlösser, selbst gebraut wurde nicht mehr
(F002) [9]
"Em dekke Tommes" schon im Besitz von Edmund Schlösser aber noch vor dem Neubau. Vermutlich kurz vor der Jahrhundertwende
  
(F003) [7]
Das neugebaute "Em dekke Tommes" um 1900. Jetzt mit Aufschrift "Hotel-Restaurant Edmund Schlösser
 
(112) [13, 28.08.1909]
Sammelanzeige / Wegweiser für Fremde in Köln, die ein Hotel oder ein Restaurant suchen. Dabei aus die Restauration Em dekke Tommes
 
(F004) [7]
Das "Em dekke Tommes" um 1925, schon in Besitz der Gebr. Balchem und mit Beflaggung der Kölner Union-Brauerei
 
(S001) [8]
Werbung für den Lumpenball aus dem Jahr 1930 
(A023) [13, 03.03.1894]
Anzeige des Brauhaus "Em decke Tommes" von Edmund Schlösser aus dem Jahr 1894
 
(A021) [13, 01.01.1909]
Anzeige zum neuen Jahr 1909. Geführt wird die Restauration zu dieser Zeit von Paul Argendorf
(A022) [13, 01.01.1910]
Anzeige zum neuen Jahr 1910
(A002) [11, 01.01.1936]
Anzeige zum neuen Jahr 1936. Geführt wird die Restauration zu dieser Zeit von Viktor Dorst
(A024) [13, 27.08.1938]
Anzeige zur Wiedereröffnung nach "vollständiger Erneuerung" aus dem Jahr 1938
(A003) [11, 31.12.1939]
Anzeige zum neuen Jahr 1939 

Firmierungen der Brauerei   [2,8]
Zeitraum Firmierung Anmerkung
1838 – 1841 Brauerei "Em Dekke Tommes", Heinrich Hummelsheim Vermutlich schon vor 1838 existent, Glockengasse 39
1841 – 1844 Brauerei "Em Dekke Tommes", Anna Maria Hummelsheim Wwe.  
1844 – 1855 Brauerei "Em Dekke Tommes", Cornelius Mathias Johnen  
1855 – 1856 Brauerei "Em Dekke Tommes", Gerhard Josef Hummelsheim  
1856 – 1857 Brauerei "Em Dekke Tommes", Gerhard Josef Hummelsheim Wwe.  
1857 – 1863 Brauerei "Em Dekke Tommes", Wilhelm Krakamp  
1863 – 1888 Brauerei "Em Dekke Tommes", Heinrich Jos. Fuchs  
1888 – 1891 Brauerei "Em Dekke Tommes", Heinrich Jos. Fuchs Sohn Von 1891 bis zur Zerstörung im zweiten Weltkrieg nur Restauration
 
 

Anmerkungen
» Kein Bezug zu Bier, aber dennoch interessant. Der Kölner Mieterverband, die Interessensvertretung der Kölner Mieter, wurde am 3. Januar 1900 auf einer Versammlung im „Em Dekke Tommes“ gegründet [4]
 
 
 
 
Quellen
1 "Brauerei-Verzeichnis Deutschland", Michael Gorytzka, Manfred Friedrich, herausgegeben von der Fördergemeinschaft von Brauerei-Werbemittel-Sammlern e.V. (FvB), Ausgabe November 2009
2 Seite „Kölner Progressive“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 20. Februar 2021, 17:16 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=K%C3%B6lner_Progressive&oldid=209037589 (Abgerufen: 3. Juni 2021, 08:24 UTC)
3 Rheinisches Bildarchiv, https://www.bildindex.de/document/obj05215300
4 https://www.mieterverein-koeln.de/fileadmin/mieterverein-koeln/Dokumente/Mieterzeitung/Koeln20202.pdf
5 Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Köln, Ausgabe 1829
6 Adressbuch Köln, Verlag Greven, Ausgaben 1892, 1893
7 "Prosit Colonia: Die vergessenen und unvergessenen Brauereien, Bier- und Brauhäuser Kölns", Autor: Franz Mathar, Greven Verlag, 1999
8 https://www.moma.org/collection/works/8419
9 Rheinisches Bilderarchiv, https://www.bildindex.de/document/obj05215300
10 Kölnische Zeitung, Ausgabe 21.03.1858
11 "Der neue Tag", Ausgaben 01.01.1936, 31.12.1939
12 "Kölner Sonntags-Anzeiger", Ausgaben 25.08.1878, 17.06.1883, 24.05.1885, 26.06.1887, 12.08.1888, 02.12.1888, 16.12.1888, 06.01.1889, 20.01.1889, 03.03.1889, 03.03.1889, 17.03.1889, 28.07.1889, 22.09.1889, 24.11.1889, 08.02.1891, 01.03.1891, 29.01.1893
13 "Kölner Lokal-Anzeiger", Ausgaben 28.07.1889, 03.03.1894, 01.01.1909, 28.08.1909, 01.01.1910, 27.08.1938
14 "Illustrirter Allgemeiner Führer durch Köln", 1889, Druck von Römer & Gau, Köln